Durchdachte Gedanken zwischen Algorithmus und Applaus

Der Blog von Ferry van Saalbach über Technologie, Gesellschaft, Moderation und KI.

KI-Speaker und Business-Moderator Ferry van Saalbach steht vor einem Publikum und hält eine Präsentation.

KI wird oft viel zu kompliziert erklärt

Ich habe in den letzten Monaten viele Diskussionen über Künstliche Intelligenz verfolgt – auf Panels, in Webinaren, auf LinkedIn. Und ich ertappe mich immer öfter bei dem Gedanken: Wir machen es uns selbst unnötig schwer.

Da sitzen Menschen auf Bühnen, die über neuronale Netze, semantische Vektoren und Datenarchitekturen sprechen, als wollten sie vor allem beweisen, dass sie komplett verstanden haben, wie dieses mysteriöse Etwas funktionieren soll. Das ist legitim, aber es hat mit echter Vermittlung wenig zu tun. Denn die Hälfte von denen, die zuhören, steigen nach drei Minuten aus. Und genau da beginnt das eigentliche Problem: Wir verlieren die, die neugierig sind – weil wir ihnen das Gefühl geben, dass es nur dann etwas bringt, wenn sie mindestens genau so komplexe Mechanismen anlegen.

Komplexität ist nicht das Gleiche wie Tiefe

Ich habe manchmal das Gefühl, dass viele „KI-Experten“ Tiefe mit Komplexität verwechseln. Tiefe entsteht, wenn jemand etwas so erklärt, dass man es fühlen kann – wenn plötzlich klar wird, was das mit mir, mit meinem Alltag, mit meinem Unternehmen zu tun hat. Wenn es mich neugierig macht. Wenn es mich anregt, das auch ausprobieren zu wollen.

Komplexität dagegen entsteht, wenn jemand etwas so lange in Fachsprache dreht, bis alle nicken, ohne irgendetwas zu verstehen.

Ich setze KI mittlerweile in enorm vielen Bereichen ein. Ich habe Webseiten damit gebaut, Texte und Keynotes erstellt, rechtliche Fragestellungen durchdrungen und ich lasse mir im Alltag so ziemlich alles von ChatGPT erklären, was ich nicht verstehe. Dadurch macht mich KI jeden Tag schlauer.

Aber ich nutze KI nicht, um mein Denken oder meine Entscheidungen zu ersetzen. Sondern um mich inspirieren zu lassen. Meine Gedanken zu hinterfragen, zu diskutieren und anzureichern. Und das ist für mich der große Gewinn an künstlicher Intelligenz: der Moment, in dem sie mir hilft, klarer zu denken.

Das ist für mich der entscheidende Punkt: KI ist kein Ersatz für Denken, sondern ein Verstärker dafür.

Ich benutze ChatGPT nicht, um Antworten zu bekommen

Die eigentliche Intelligenz entsteht dabei nicht in der Maschine, sondern im Dialog zwischen uns beiden. Ich werfe einen Gedanken hinein, bekomme etwas zurück, das mich zwingt, genauer zu werden, und beginne dadurch selbst klarer zu denken.

Ich vergleiche das oft mit einem guten Gespräch:
Wenn mir jemand nur zustimmt, passiert wenig.
Wenn mir jemand widerspricht, muss ich das aufnehmen, verstehen, meine Gedanken sortieren und wieder antworten.
Dadurch entsteht Austausch. Durch Irritation und Reflektion kommt man zu Inspiration.
Und genau das passiert mit KI – wenn man sie richtig nutzt.

Deshalb glaube ich: Der wichtigste Skill der Zukunft ist nicht, Prompts zu formulieren, die perfekte Antworten produzieren, sondern Fragen zu stellen. Immer und immer wieder. Und daraus das eigene Arbeitsergebnis präziser, umfangreicher, besser – einfach intelligenter – zu machen.

Wir brauchen mehr Bewusstsein, nicht mehr Tools

Viele Unternehmen investieren gerade enorme Summen in KI-Lösungen und erwarten, dass sie damit Arbeitskraft ersetzen können. Andauernd höre ich von irgendwelchen Spezialisten, dass sie inzwischen ihr Unternehmen mit X Agents betreiben, die sie wie Angestellte behandeln.

Das klingt auf den ersten Blick enorm attraktiv. Es ist aber ein riskantes Unterfangen und es ist vor allen Dingen eines, das eine riesige Erwartungshaltung schafft. Eine Erwartungshaltung, die heutige KI in meinen Augen noch nicht vollumfänglich befriedigen kann. Weil KI heute strukturierend, sortierend und damit an vielen Stellen wissenserweiternd wirkt. Darauf basierend aber automatisiert Entscheidungen treffen zu lassen und damit Verantwortung abzugeben, kann schnell zum Bumerang werden.

Und ist in meinen Augen auch nicht der Hauptnutzen von KI. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass der eben nicht darin liegt, Arbeit zu ersetzen. Sondern zu verbessern. Dafür müssen wir aber in allererster Linie unser Bewusstsein anpassen. Uns eingestehen, dass es da etwas gibt, das in manchen Bereichen sehr viel schlauer ist als wir. Oder um es genauer zu beschreiben: da ist jetzt etwas, das scheinbar endlose Informationen zur Verfügung hat und uns die ubiquitär auf Knopfdruck sortiert und aufbereitet zur Verfügung stellen kann. Das dürfen wir mit Respekt und Demut annehmen. Ohne gleich dem Gedanken zu verfallen, uns selbst damit obsolet machen zu wollen.

Denn wenn wir immer davon sprechen, dass die KI unsere Arbeit übernimmt, dann motivieren wir Menschen nicht, sich mit KI auseinander zu setzen. Wir schaffen Reaktanz und schüren die Angst, dass man sich selbst abschafft. Und kreieren eine Erwartungshaltung, die KI in vielen Fällen überhaupt nicht erfüllen kann. Und damit heizen wir dann wieder die Unzufriedenheit mit der neuen Technologie an.

KI ist eine Einladung, keine Bedrohung

Wenn KI-Experten dann noch über die Lande ziehen und den Menschen beibringen wollen, wie man den perfekten Prompt aufsetzt, dann führt das unweigerlich auch dazu, dass Menschen sich unter Druck fühlen, Prompts immer und ausschließlich perfekt gestalten zu müssen, anstatt einfach mal irgendwas auszuprobieren, zu lernen und daran zu wachsen. Wenn man aber einfach mal ausprobiert, blöde Fragen stellt, einfach alles, was einen gerade beschäftigt, mit der KI teilt, dann fängt man irgendwann an, wirklich große Vorteile daraus zu ziehen. Aber nicht, weil die KI dann den eigenen Gedankenprozess übernimmt. Sondern weil die eigenen Gedanken dadurch mehr Substanz bekommen.

Muss ich als Moderator Angst haben, dass KI mich ersetzt?

Als Moderator, dessen Aufgabe es ja ist, Information aufzunehmen, zu strukturieren und wiederzugeben, könnte ich eine Menge Angst haben, dass KI mich relativ bald ersetzen wird. Ich habe diese Angst aber nicht. Weil ich davon überzeugt bin, dass das Talent, das mich ausmacht, durch KI auf lange Sicht nicht ersetzt werden kann: das Verständnis dafür, wie etwas erklärt werden soll, damit es verständlich wird. Das Gespür dafür, was Menschen ausdrücken wollen und das in dem Moment auch aufzunehmen und rauszukitzeln. Die Dramaturgie in einer Gesprächsrunde zu erspüren und dann auch gezielt zu führen.

In der Vorbereitung aber kann sie mich unterstützen. Wenn ich bei einem Aspekt nicht genau weiß, wie ich ihn lösen soll und ich eine konkrete Frage dazu stellen kann. Wenn ich Ideen und Gedanken spiegeln lassen kann und dadurch neue Perspektiven entdecke.Wenn ich Business-Mails schreiben will und mir die richtigen Worte dafür fehlen. Wenn ich einen Sparringspartner für einen Blog-Beitrag brauche. Oder für die philosophischen Gedanken dahinter. Bei all dem ist KI für mich ein wahnsinniger Gewinn geworden.

Wenn man das verinnerlicht, dann merkt man ziemlich schnell: KI ist kein Technikthema. KI ist ein Kulturthema.

Lasst uns Menschen motivieren, nicht verängstigen!

Darin sehe ich aktuell vielleicht auch eine neue Aufgabe für mich. Ich habe mit ChatGPT zwei Keynotes erstellt, in denen ich darlege, dass es nicht unsere Aufgabe ist, die KI perfekt zu bedienen. Sondern sie als Partner und Spiegel zu nutzen, um uns selbst weiterzuentwickeln. Mut zu machen, das Ganze einfach mal auszuprobieren. Nicht zu erwarten, dass ein perfektes Ergebnis rauskommt. Sondern den Prozess gestalten und sich damit ständig weiterzuentwickeln. Bei komplexen Business-Fragestellungen genau so wie bei ganz alltäglichen Fragen. Der Neugier, was das für ein Insekt ist, das da gerade über den Tisch krabbelt. Oder einer Hilfestellung bei meiner Steuererklärung.

Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Und genau darum sollte es mehr darum gehen, Menschen zu ermutigen, diese Möglichkeiten zu nutzen. Und sie nicht damit zu überfrachten, KI heute und sofort so effizient nutzen zu müssen, dass alles in Zukunft automatisiert abläuft.

Und vielleicht ist genau das die eigentliche Zukunft der Kommunikation:
eine Welt, in der Mensch und Maschine gemeinsam lernen, besser zu fragen.

Und dazu passt ein Zitat, das die KI mir im Gespräch rüber geworfen hat, als wir „gemeinsam“ an einer der beiden Keynotes gearbeitet haben:

KI ist nicht gefährlich, weil sie denkt. Sie wird gefährlich, wenn wir aufhören, zu denken. (ChatGPT)

Lust auf mehr?

Dann lassen Sie uns doch gerne in Kontakt kommen. Ich würde mich freuen, meine Keynote zur Nutzung von KI bei Ihnen halten zu dürfen – und damit Ihre Mitarbeitenden in 15 inspirierenden Minuten zu ermutigen, das Ganze selbst einfach mal auszuprobieren.

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